"Freizeit und Erholung sind wichtiger denn je"
12.06.2023
Herr Mathys, Sie haben auf internationaler Ebene jahrelange Expertise im Pflanzen- und Blumen-Sektor und verfügen über eine fundierte Marktkenntnis. Welche wichtigen Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren?
In den vergangenen Jahren ist der Garten zunehmend zu einer Art Rückzugsort, einem Refugium geworden. Hier kann jeder sein kleines Paradies erschaffen, sich entspannen und Energie auftanken. Interessanterweise wird der Garten heute viel mehr als Ort der Freude angesehen und nicht als zusätzliche Arbeit. Kein Wunder, dass dabei viele 'Regeln' von früher über Bord geworfen werden. Musste früher alles akkurat seit – ich denke dabei an die exakt geschnittene Hecke oder den englischen Rasen – sind heute wilde Beikräuter erwünscht, tragen sie doch zur Ausstrahlung bei. Insekten, Vögel und Igel sind gern gesehene Gäste im Garten und inzwischen ersetzt eine Wildhecke mit einheimischen Sträuchern oft die Thuja-Hecke der 90er Jahre.
Die Entwicklung zum Selbstversorger hat sich ebenfalls weiterverbreitet. Es ist schön zu sehen, wie viel Gemüse und Beeren in Gärten, aber auch auf Terrassen und Stadtgärten, gedeihen. Das gibt insbesondere auch Kindern die Chance, wieder einen stärkeren Bezug zur Natur zu entwickeln.
Ein weiteres erfreuliches Umdenken kommt aus der Industrie: Hersteller werden digitaler und gehen aktuell viel stärker auf die Bedürfnisse der Verbraucher ein. Sie bieten einfache und smarte Lösungen. Das gilt beispielsweise für die Bewässerung, die mittlerweile auch über das Mobiltelefon gesteuert werden kann, sowie für nachhaltige und vor allem wetterfeste Möbel und Bezüge. Hochbeete in verschiedensten Formen und Materialien sind ebenfalls sehr beliebt.
Vor allem die ersten von Ihnen genannten Trends passen zum Hauptthema der spoga+gafa 2023 in Köln: Social Gardens - Orte der Begegnung.
Ja, absolut. Freizeit, Erholung und Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen ist vielen heutzutage wichtiger denn je. Der Garten bietet dafür einen optimalen Ort, besonders auch nach einem stressigen Arbeitstag. Der Trend von Gemeinschaftsgärten in Innenhöfen oder auf Dächern in den Städten setzt sich ebenfalls fort; erste Anzeichen davon sehe ich auch in Großstädten. Ehemalige Parkanlage werden zu Gärten der Begegnung und Gemeinschaft für Wohnbezirke umgewandelt. In diesem Rahmen können Gärten auch eine wichtige Rolle bei der Integration von verschiedenen ethnischen Gruppen spielen, sowie beim Generationenübergang.
Welche Tipps können Sie den Ausstellern geben, worauf sollten Sie künftig Wert legen?
Nachhaltigkeit ist nicht nur bei den Produkten, sondern auch bei der Ausrichtung des Unternehmens wichtig. Es gilt: Verantwortung übernehmen und nach außen zeigen. Dabei muss der Draht zum Konsumenten ständig ausgebaut werden, indem Fachhändler alle notwendigen Informationen an die Hand gegeben werden, damit diese auf der Fläche und beim Endkonsumenten ankommen. Nur so kann Mehrwert eines Produktes auch aufgezeigt werden. Es ist entscheidend, dass der Händler den POS unter Kontrolle hat und dort in der Kommunikation gut performt, um sich weiterzuentwickeln - sei es im Zwischenhandel oder im Umsatz zum Käufer.
Was wird sich in der Gesellschaft noch ändern, worauf unsere Branche aufbauen kann?
Die Verbraucher und Verbraucherinnen suchen dringend einen Ausgleich zum oft überladenen Berufsalltag. In den letzten Jahrzehnten ist alles immer schneller und hektischer geworden; ein Zweit- oder Drittjob ist teilweise schon normal. Die jüngeren Generationen legen deutlich mehr Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance. Die Werte verschieben sich. Prestigeobjekte treten in den Hintergrund oder werden anders formuliert: Urlaub im Garten mit Familie und Freunden wird beispielsweise genauso hoch bewertet wie eine Auslandsreise.
Auch hier kann der Garten eine wichtige Rolle einnehmen: Der Garten kann durch nachhaltige Maßnahmen wie dem Einsatz von ökologischen Materialien und dem Anbau von eigenen Lebensmitteln zum Schutz des Klimas beitragen.
Sie werden selbst auch in diesem Jahr wieder als Redner und Guide Teil der spoga+gafa 2023 sein. Wie groß ist Ihre Vorfreude?
Natürlich sehr groß! Es dauert ja nur noch wenige Wochen, bis wir uns alle vor Ort treffen. Ich freue mich darauf, mich mit den internationalen Kollegen und Kolleginnen auszutauschen. Und als Kurator der POS Green Solution Island bin ich wie immer auch auf das Feedback gespannt. Schließlich haben wir uns ein spannendes Thema ausgesucht: „My plant - best friends forever“ mit vielen kleinen Geschichten zum Erzählen.
Im Vorfeld der spoga+gafa stehe ich natürlich auch mit vielen Kollegen und Kolleginnen aus der internationalen Gartencenter-Branche in Kontakt, die mir bereits mitgeteilt haben, dass sie nach Köln kommen werden – das ist großartig! Die spoga+gafa ist für mich wie eine große Familie - und wir haben noch immer einen klaren Nachholbedarf, Freunde und Bekannte zu sehen und auch in den Arm zu nehmen.